In Jersey mussten wir uns entscheiden, entweder am Sonntagabend nach Brest aufbrechen, mit teilweise starkem Wind aus südwestlicher Richtung, was eben viel unbequeme Amwindkurse nach sich zieht, oder erst eine Woche später losfahren, mit vielleicht besseren Bedingungen. Unsere Entscheidung kennt ihr ja inzwischen, gegen 16:30h Jerseyzeit (UTC +1h wg. Sommerzeit) sind wir abgefahren.
Schrecksekunde bei der Abfahrt
Wir hatten Jersey gerade verlassen, fuhren noch unter Motor, als ich rechts und links neben mir zwei Fischerbojen sah, an jeder Seite ca. 10m von unserem Schiff entfernt. Um Fischerbojen sollten man besser mal einen Bogen machen, man weiss ja nie, was die Jungs da dran hängen haben. Irgendwie Griff ich ins Steuer, das war jedoch blockiert. Sh… dacht ich, kaum aus dem Hafen raus und schon ein grosses Problem, danach dachte ich, gut, dass wir noch so dicht am Hafen sind, da kann uns schnell jemand helfen, denn mit blockiertem Ruder … Ersteinmal habe ich versucht uns mit Rückwärtsschub zu befreien, das Ruder blieb aber blockiert. Dann die grosse Erleichterung, ich hatte schon unsere Selbststeueranlage eingeschaltet und die hat natürlich immer gegengehalten, als ich ins Ruder gegriffen habe. Puh, lieber so ein leicht peinliches Missverständnis, als ein dickes Fischernetz im Ruder.
Von Jersey nach Brest
Wind von Ost auf Süd drehend, ein optimaler Start, auch wenn der Wind mit 2-3 Windstärken eher schwach war, aber das sollte sich in der Nach ändern. Es frischte auf 4-5 Windstärken auf, das bedeutete einerseits, dass wir schneller wurden, andereseits aber auch, dass wir die Segelfläche verkleinern mussten. Wir haben ein Rollgross, d.h., dass wir das Grossegel zur Verkleinerung einfach in den Mast rollen. Konkret heisst das, die Segel aufmachen, damit der Winddruck rausgeht, einrollen und wieder dicht nehmen, bei viel Wind schlägt das Segel gewaltig, aber ansonsten kein Thema.
Auch bei dem Vorsegel, der Genua, haben wir eine Rollanlage. Die funktioniert ähnlich, Segel aufmachen, einrollen und wieder dicht nehmen. Bei der Genua muss jedoch je nach eingerollter Segelfläche der sogenannte Holepunkt verstellt werden. Der Holepunkt ist der Punkt, an dem die Genuaschot umgelenkt und dann an Deck geführt wird. Zur Verstellung des Holepunktes muss ein Erwachsener auf das seitliche Deck, diesen entriegeln und nach vorne schieben. Das geht aber nur, wenn keine Kraft auf der Schot ist, also dass Segel gefiert ist und teilweise inkl. der Schot wild im Wind flattert. Und das war in dieser Nacht extrem unangenehm, es war stockfinster und es hat fies geregnet, auch wenn wir bei den Aktionen natürlich immer angeleint waren, war es nicht angenehm. Da die Windstärke in der ersten Nacht immer wieder schwankte, haben wir bestimmt 4-5mal ein bzw. ausgerollt. Geschlafen haben wir vielleicht jeder 1-2 Stunden und das in Segelklamotten. Morgens, als es immer noch in Strömen regnete, leider kein warmer tropischer Regen, dachte ich dann ans Büro, würde ich dort gerade Montagsmorgen eine heisse Latte Macchiato trinken, im warmen, trockenen Büro!?
Segelfläche schon deutlich verkleinert und das Sonnenverdeck hatten wir vorsorglich weggestaut.
Angesagte Winddrehung auf West
Für Montag Nachmittag war eine Winddrehung auf Südwest (kleiner Ausschnitt aus den Wetterdaten von Weathertrack) angesagt, wenn wir diese Winddrehung mitnehmen könnten, um dann den letzten Schlag gen Süden an der Ile d’Ouessant vorbei nach Brest zu segeln, wärs optimal.
Das war der Grund, warum wir so weit nach Westen gesegelt sind. Leider kam die Winddrehung nicht, statt dessen hatten wir da draussen noch mehr Wind, 6 Windstärken und eine garstige hohe Welle, in der wir uns von Zeit zu Zeit immer mal wieder mit Schmackes und riesigem Getöse festbohrten. Das hiess natürlich auch wieder bei strömendem Regen nach vorne, Segelfläche verkleinern. Und gegen grosse Wellen gegenan segeln macht’s auch nicht schneller. Da merkt man dann den Unterschied, 6 Windstärken von hinten sind gut zu ertragen, durch die Geschwindigkeit des eigenen Schiffes ist es dort fast windstill, aber 6 von vorne ist ein anderer Schnack.
Das war auch das Zigzag segeln, was einige von euch in den Trackingdaten gesehen hatten. Die Situation hat sich dann deutlich gebessert, als wir weiter südlich in die Landabdeckung fuhren, dort waren die Wellen deutlich kleiner, und wir wurden wieder schneller und konnten endlich mal wieder den Autopiloten für eine Stunde steuern lassen. Aber jetzt wurde auch klar, dass wir eine weitere Nacht in der Waschmaschine verbringen würden. Als wir kurz nach Mitternacht wieder aus der Landabdeckung der Ile d’Ouessant kamen, wurde es wieder ruppiger, also war auch wieder selber steuern angesagt. Gut das es Nacht war, da sahen wir wenigstens nicht wie hoch die Wellen waren, es werden wohl an die 3m gewesen sein, und eine hat doch glatt versucht, uns von der Seite ins Cockpit zu brechen äh zu steigen.
SMS von unserer Wetterberatung Kai
Eine schöne Überraschung kam von Kai Biermann, unserer Wetterberatung, von Wetterausbildung. Bei Kai haben wir ein spitzen Wettersemnar gemacht, dazu später mehr, er schickt uns zusätzliche Wetterdaten für die kniffeligen Streckenabschnitte. In jedem Fall hatte er uns am Abend schon eine wetterbestätigende SMS geschickt, und morgens kurz vor dem Einlaufen in Brest haben wir diese wunderbare SMS bekommen:
„Guten morgen, fast ist es geschafft. Herzlich willkommen in Brest. Nach windiger Nacht SW 4-5 und z.T kräftigen Boen habt ihr euch das Einlaufbier redlich verdient. …Lg.Kai“