Wir sind in Neuseeland angekommen und haben noch keinen Moment geruht. Eigentlich würde man erwarten, dass wir uns erst einmal richtig ausschlafen, aber daran ist gar nicht zu denken. Verstehe ich nicht! Doch. Opua ist Veranstalter der All Points Rally, einer Rally nach Opua / Neuseeland, ohne festes Startdatum, ohne festen Startpunkt aber eben mit einer Woche von Vorträgen, Ausflügen und Parties bei der Ankunft in Opua. So wurden wir also direkt nach unserer Ankunft hier in das Geschehen eingesogen und sind auch schon wieder auf dem Sprung. Um 10 Uhr geht es gleich los mit Kids Angeln, da wollten die Mädels unbedingt mitmachen, zumal Louisa ihren ersten großen Fisch unterwegs gefangen hatte, nee psst, das kommt später. Weiterhin gibt es noch haufenweise Programm für die Kinder, einen „Treasures of the Bilge“-Flohmarkt und heute Abend die „Princesses of the Pacific“ Party. Zugang zu dieser Party bekommen nur Leute, die verkleidet sind, also werden wir heute noch Kostüme schneidern. Jetzt aber erst einmal ein paar Schritte zurück.
Abfahrt aus Nuku’alofa
Wir gehen als erste Anker auf in Nuku’alofa, auf dem AIS sehen wir, dass uns kurze Zeit später die „Silver Fern“ und die „Helios“ folgen. Eigentlich erstaunlich, dass die anderen knapp 20 Boote noch warten. Haben wir uns bei dem Wetterfenster doch verguckt oder setzt bei ihnen „Analysis Paralysis“ ein? Diese Krankheit erfasst Segler, die in Tonga, Fiji oder sonst einer der Inseln auf den Absprung nach Neuseeland warten und das jeweilige Wetter so lange analysieren, bis sie zu dem Schluss kommen, dass es in Zukunft doch noch ein besseres Fenster geben muss.
Die ersten Tage sind wie angesagt schwachwindig, so das wir entweder sehr entspannt segeln oder motoren. Bisher haben wir uns bei zu wenig Wind immer einfach treiben lassen und auf mehr Wind gewartet, auf dieser Passage heißt es jedoch so schnell wie möglich ankommen. Uns wurde eindringlich gesagt: „Jeden Tag, den ihr mehr da draußen seid, besteht die Gefahr dass ihr mächtig einen drauf bekommt“, das gilt vor allem für die Strecke südlich 30°Süd.
Nach nicht einmal einem Tag fällt unser Motor aus
Nach nicht einmal einem Tag auf See fällt unser Motor aus, nachdem wir gerade die Segel wieder hoch gezogen hatten, stirbt einfach der Motor, nicht gut. Ein Dieselmotor ist ein einfaches Konstrukt, eigentlich kann es nur an der Spritzufuhr, an Luft in der Dieselleitung oder daran, dass der Motor sein Abgas nicht los wird, liegen, zumal unser Motor nur wenige Betriebsstunden hat und wie aus dem Ei gepellt aussieht. Ich versuche, die „Helios“ anzurufen, aber die ist bereist außer Reichweite. UKW gibt einem so viel Sicherheit in der Ostsee, auf langer Fahrt ist es nur Spielzeug, ist die „Helios“ doch gerade einmal 25sm hinter uns. Die „Silver Fern“ ist genau zwischen uns und der „Helios“, so können sie meine Nachrichten weiterleiten, und wir beraten zu dritt, was die ersten Schritte sind. Wir zwingen uns, nicht zu kompliziert zu denken, uns auf einfache Ursachen und Lösungen zu beschränken. Und, nachdem ich die Dieselzufuhr entlüftet habe, schnurrt der Motor wieder.
Ein Yellowfin Tuna beißt zwischen Minerva Nord und Minerva Süd
Nach zwei Tagen passieren wir erst Minerva Nord und dann Minerva Süd. Minerva ist ein Atoll, das heißt ein großer See mit einem umlaufenden, aber überspülten Riff, und ist ein beliebter Zwischenstopp auf dem Weg nach Neuseeland. Bob McDavitt, der Neuseeländische Wetterguru, spricht immer vom Minerva Yachtklub. Yachten stoppen dort und wollen nur einige wenige Tage bleiben und werden dann von der „Analysis Paralysis“ -Krankheit erfasst und zögern so ihren Absprung nach Neuseeland immer wieder raus.
Wir hatten uns entschieden, an den Minervas vorbei zu segeln, das beste Gegenmittel gegen diese Krankheit. Aber Minerva ist für Fischreichtum und entsprechend fantastisches Tauchen bekannt, so gingen unsere Leinen besonders hier natürlich ins Wasser, mit Erfolg. Ziemlich genau zwischen den beiden Minervas, gut eine Stunde vor Sonnenuntergang beginnt eine unserer Angeln an zu schreien, nein: zu brüllen. Da wir gerade unter Motor unterwegs waren, mussten wir nicht einmal die Segel bergen und konnten uns gleich dem Kollegen widmen. Nachdem er einen guten Teil der Leine von der Rolle gezogen hatte, wurde es ruhig, der Fisch ruhte sich aus, aber ich war nicht bereit ihm diese Pause zu geben. Nach einer halben Stunde, einigen Tauchgängen des Fisches, konnte Urte den Fisch sehr professionell und erfolgreich gaffen und gemeinsam konnten wir ihn an Deck hieven. Es war genau der richtige Fisch in genau der richtigen Größe. Einen Meter Thunfisch können wir kühlen bzw. einfrieren, ohne dass wir Teile des Fisches verschwenden.
Nachdem unser Fang filetiert war und das Deck vom Blut gereinigt war, gab es direkt Sashimi. Es kann uns doch nicht besser gehen!
Das Gaffen des Yellowfin hat bei ihm und bei uns Spuren hinterlassen, Thunfische verlieren immer mächtig Blut.
Angler und Gafferin mit dem Yellofin.
Lecker Yellowfin Sashimi auf der hapa na sasa.
Überqueren der Datumsgrenze und große und wilde Seen
Am nächsten Tag überqueren wir die Datumsgrenzen, jetzt sind wir am anderen Ende der Erde angelangt. Gleichzeitig nimmt der Wind zu und die Seen werden heftiger, einige dieser Berge sind 4m hoch, und wild sind sie. Kurz zuvor wurden wir von der „Orion“, einem Flugzeug der neuseeländischen Luftwaffe über Funk kontaktiert, nach unseren Daten befragt, und wir haben Wetter ihnen bekommen. Jetzt wusste ich, was sie mit „heavy seas“ meinten, es war wirklich eine wilde Waschmaschine da draußen. Immerhin kam der Wind von der Seite und drehte uns langsam aufs Heck, so dass wir mit klein gerefften Segeln guten Fortschritt machten.
Das Wetter passt hier nicht wirklich zu unserer Vorhersage
Über die letzten 15.000sm hat unsere Wettervorhersage immer gut gepasst. Jeweils vor unserer Abfahrt laden wir Grib-Wetterdaten auf unser iPad und selbst 7-Tage-Vorhersagen stimmten auch am Ende der 7 Tage noch ziemlich gut mit der Realität überein.
Hier ist das nicht so, die Wettermodelle, die sonst immer gut gepasst haben, scheinen hier einfach nicht zu funktionieren. Schon vor unserer Abfahrt hatte ich die Entwicklung eines heftigen Tiefs beobachtet, dieses Tief tauchte von einem Tag auf dem anderen in der Vorhersage auf und vertiefte sich innerhalb der nächsten 48 Stunden auf 998mbar, scary.
Da wir unterwegs weder über Kurzwellenfunk, noch über Satphone Grib-Wetterdaten empfangen können, hatte ich für diesen Fall mehrere Backups aufgebaut. Elke und Werner vom TO Stützpunkt in Tonga wachten über uns. Die beiden sind 24 Jahre gesegelt, haben seit 20 Jahren ein Haus auf Tonga, dort bereits mehrere verheerende Zyklone selbst erlebt und die Überfahrt nach Neuseeland einige Male gemeistert. Mit Elke hatte ich vereinbart, dass sie ein Auge auf uns hält und uns nach Bedarf Wetterinformationen schickt. So bekamen wir also einmal am Tag Wetter von ihr. Zuerst war das ziemlich kryptisch, lauteten die Nachrichten doch : P48h v. 14 12h H1021 32 177E, L1 981 37 165W, L2 1006 31 156E … was so viel heißt wie 48 Stunden Prognose vom 12.11. für den 14.11. für die Zeit 12 Uhr UTC Hoch mit 1021mbar auf 32 Süd und 177 Ost, Tief 1 mit 981mbar auf 37 Süd und 165 West … Aus diesen Daten haben wir uns dann auf Transparentpapier Wetterkarten skizziert und hatten somit das Big Picture.
Handskizzierte Wetterkarte auf der hapa na sasa.
In unserer Situation war die erst Prio doch rechtzeitig zu erkennen, ob irgendetwas Großes und Gefährliches unseren Weg kreuzen würde. Was gefährlich heißt, könnt ihr unter dem Stichwort „Queen’s Birthday Storm“ googlen. Vielleicht findet ihr sogar den sehr beeindruckenden Film zu diesem Jahrhundertsturm und der Rettung der betroffenen Yachten.
Parallel zu diesen Infos haben wir täglich von der „Helios“ den zu erwartenden Wind, sowie die entsprechende Windrichtung bekommen. Die Lösung war sicherlich nicht ganz so komfortabel wie sonst, aber sie hat bestens funktioniert und wir fühlten uns in jedem Moment sehr sicher. Vielen, vielen Dank an Elke und Werner und an Dominic und Corinne für die jeweiligen lokalen Details. Somit haben wir es auch ohne ein Wetterrouting von Bob McDavitt geschafft.
Die Halbzeit Party – das traditionell begehrte Event auf langen Passagen
Auch auf dieser Passage haben wir wieder eine Party geschmissen und alle eingeladenen Gäste sind erschienen, jeweils mit den unterschiedlichen Leckereien. Da waren kostbare und lange Zeit gehütete Gummibärchen, vorher noch geschälte Erdnüsse, angebratene Kochbananenscheiben,
Streuselkuchen, Obst und sogar noch Salami und Käse. Wow.
Paula erntet und schält die Erdnüsse für die Halbzeitparty.
Lecker Halbzeitparty auf der Passage nach Opua Neuseeland.
Das Tief mit Ansage und heftiges Gegenanbolzen
Wir nähern uns dem wichtigen Wegpunkt bei 30° Süd und bekommen die Info, dass vor uns ein schwaches Tief durchziehen wird. Dieses Tief tauchte bereits in Vorhersagen immer wieder auf, aber jetzt wussten wir, wann wir es treffen würden. Den Tag vorher versuchten wir, mit Wingaker und danach dem Gennaker noch so viel Speed und Süd wie möglich zu machen, bis das Thema mit einem Sonnenschuss um 4:00 Uhr nachts endete. Denn, direkt nachdem das Tief mit der Front durchziehen würde, würde der Wind auf Südwest bzw. Süd drehen und genau da wollten wir ja hin. So steht’s im Buch und so kam’s dann auch! Die Vorderseite des Tiefs gab uns 20-25kn Wind von hinten und eine angenehm nachlaufende Welle. In Urtes Nachtwache fing es dann heftig an zu regnen und der Wind drehte binnen Minuten um 150°, wie es im Buche steht. Uns trennten nur noch 180sm von unserem Ziel, das sollte doch zu schaffen sein! Diese 180sm wurden zur Geduldsprobe, was wir da draußen auch taten, wir kamen unserem Ziel nicht wirklich näher. Segeln auf dem einen Bug führte uns nach Westen, auf dem anderen Bug nach Ost-Südost, was war hier los? Hier musste heftiger Strom stehen, aber in keiner unserer Informationen war von Strom die Rede und doch stand hier über 2kn Strom in Richtung 40° also fast direkt gegen uns. Hinzu kam noch, dass wir heftig stampften, d.h. mit dem Bug in die Wellen knallten, die daraus resultierenden Geräusche waren unerträglich, verstärkt so ein Schiffsrumpf die Geräusche doch wie eine Trommel.
Wir versuchten wieder alles, Segel entsprechend ausgerefft, um schnell zu sein, etwas gerefft, um langsamer zu werden, komplett ohne Segel nur mit Motor komplett gegen an, ein nervlich anstrengender Prozess, der viel Geduld erforderte. In diesem Fall gab es nur eine Lösung, wir refften, bis wir nur noch mit etwas über 4kn mit schlechtem Wendewinkel gegenansegelten. Normalerweise sind wir mit 6kn auf direktem Weg unterwegs und schaffen 150sm in 24h, jetzt schafften wir gerade einmal 80sm in der gleichen Zeit. Nun habe ich auch endlich verstanden, warum Segler anderen Seglern „following seas“ (also Wellen von hinten) wüschen, denn selbst ohne Wind kann man bei nachlaufenden Wellen motoren, kommen die Wellen jedoch von vorne, wird es wirklich anstrengend.
Ein Höhepunkt während der zähen letzten Meilen
Louisa fängt ihren ersten großen Fisch. Wir hatten neben dem Yellowfin noch etwas Platz im Gefrierfach, also waren die Angeln wieder draußen. Wieder gut eine Stunde vor Sonnenuntergang gingen die Angeln los, diesesmal beide Angeln, erst die Eine und dann Sekundenbruchteile später die Zweite. Louisa ging sofort an die eine Angel, so hatten wir es schon vorher besprochen. Während Urte und ich noch die Segel bargen, kurbelte Louisa bereits ihren Fisch heran. Gut 10 Minuten später konnten wir einen schönen 70cm langen Longfin Tuna an Bord ziehen. Mein Fisch auf der anderen Angel ist mir leider 10m hinter unserem Schiff vom Haken gesprungen. Schade. Trost: wir hatten den Longfin – das Sashimi war wieder köstlich!
Louisas erster grosser Fisch, auf dem Bild von ihr und dem Fisch zieht sie ein Gesicht.
Lecker Sashimi vom gerade gefangenem Longfin Tuna.
Die Bay of Islands, eines der schönsten Cruising Gebiete der Welt empfängt uns nach 9 Tagen auf See
Nach anspruchsvollen 9 Tagen auf See empfängt uns die Bay of Islands morgens mit den ersten Sonnenstrahlen. Die letzten Meilen motoren wir. Unsere Tankanzeige zeigt einen leeren Tank an. Nachdem wir 25l nachgefüllt haben, ist der Tank laut Anzeige wieder halb voll und das, obwohl unser Tank 200l fasst. Wow, dass nenne ich effizientes Tanken down under. Steht die Welt vielleicht doch irgendwie Kopf?
Die Einfahrt in die Bay of Islands im Norden von Neusseland.
Auf dem Weg zum Steg werden wir schon von Freunden angefunkt, die ersten wertvollen Informationen fließen bereits. Wir müssen also am Quarantänesteg fest machen, dort werden wir kontrolliert, ob wir frisches Obst, Gemüse, Fleisch oder sonstiges verbotenes Gut einführen. Neuseeland hat große Angst, dass Cruiser Insekten, Würmer, … und damit auch Krankheiten einschleppen und deshalb sind die Regeln entsprechend strikt und die Kontrollen intensiv. Mit etwas Vorbereitung und Information vorab jedoch ein Kinderspiel.
Inzwischen sind wir vom Kidsfischen zurück, einige kleine Fische haben die Mädels gefangen, die größeren, ca. 25cm langen Fische sind jedoch immer wieder vom Haken gesprungen.
Die kleinen gefangenen Fische wurden gleich wieder als Köder für den Grossen genommen.