Die „hapa na sasa“ war abfahrbereit, das Chaos der vergangenen Tage war gebändigt und alle Einkäufe hatten ihren Platz gefunden – dank der zahlreichen helfenden Hände und der wiederentdeckten Erkenntnis, dass wir mit einem schwimmenden Platzwunder reisten.
Wir waren bereit für unsere Weiterfahrt in den Pazifik und gespannt auf unsere ersten Erfahrungen mit einem neuen Ozean und freuten uns aufs erste Ziel: die Galápagosinseln. Wann konnten wir endlich los?
Etwas Wichtiges fehlte jedoch noch, unsere Ausreisepapiere liessen auf sich warten. Ungeduld machte sich breit, Constantin fragte einige Tage vorher mehrmals nach, wann die Dokumente fertig seien. Der Tip eines Einheimischen lautete: samstags ist hier ein guter Tag für Papierkram. Als Constantin dann die ersehnten Papiere an Bord brachte, konnten wir los, Kurs Süd.
Das gute Wetterfenster war inzwischen vorbei, der Wind nahm ab, aber unter Wingaker und Gennaker kamen wir die ersten 24h gut voran.
Vor uns lagen ca. 1.000 Seemeilen (ein Drittel unserer Atlantiküberquerung). Es war schwer abschätzbar, wie lange wir unterwegs sein würden, da auf dem Weg wechselhafte Windsituationen lagen (ITCZ, Äquator…). Diese Strecke wurde z.B. von Jimmy Cornell als ein sehr zähes Stück beschrieben.
Bald kam sie also, unsere erste Geduldsprobe. Der Wind wurde still und stiller. Es half nichts. Als unser Gennaker nicht mehr aushelfen konnte, musste nun Hr. Yanmar mit sonorem nervtötenden Gebrumm einspringen.
Da ich aus der Allbrook Mall neben diversen Einkäufen auch eine Erkältung (ich hatte schon vergessen, was das war…) mitgeschleppt hatte, legte ich mich mittags zum Auskurieren in die Koje. Als ich nachmittags dann an Deck kam – leider war die Erkältung nicht im Schlaf verschwunden – wurde ich über das verpasste Programm unseres Bordalltags informiert.
Sie hatten gemeinsam nach der Schule unser neues Spiel „Dominoes – The Mexican Train“ gespielt, das wir in Chaguaramas in der sonntäglichen Cruisers’ Net Spielerunde kennengelernt hatten. Die komplette Allbrook Mall in Panamá City hatten wir danach durchforstet und waren fündig geworden. Seitdem freuten sich die Mädels auf den Tag, an dem sie es wieder spielen konnten.
Anschliessend hatten alle Beteiligten beschlossen, sich im Pazifik zu erfrischen, nachdem der Wind gänzlich eingeschlafen war. Motor aus, Badehosen und Taucherbrillen anziehen, Fender und Leinen zum Festhalten ausbringen und hinein in den warmen Stillen Ozean! Constantin hatte sogar das Unterwasserschiff abgewischt, damit wir den Sauberkeitstest bei der Einreise in die Galápagos-Gewässer bestehen.
Die Krönung dieses Tages wurde mit dem aufgeregten Ruf „Da hinten, Delfine!“ eingeleitet. Etwa 400m achterlich erblickten wir eine Delfinschule von 7 Tieren, von denen einige synchron aus dem ruhigen Wasser sprangen. Beim Eintauchen hinterliessen sie weisse schäumende Wasserfontänen. Bisher hatten wir noch keine komplett aus dem Wasser springenden Delfine gesehen. Mit „Aah“ und „Ooh“ bestaunten wir die Kunststücke und stellten wieder einmal den Motor ab, in der Hoffnung, die Tiere anzulocken. Stille.
Diesen Moment wollten wir geniessen – es war das erste Mal während unserer gesamten Reise, dass wir bewusst sagten: „Lass uns den Motor ausstellen und uns treiben lassen.“ Wir mussten nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem festen Ort sein, um Termine für Arbeiten am Schiff wahrzunehmen oder noch einen Slot für die Durchfahrt des Panamákanals zu bekommen. Wir trieben mit der Strömung: 0,2 kn. Wir waren frei: es war egal, ob wir einen oder zwei Tage später Santa Cruz erreichten!
Als wir uns umsahen, entdeckten wir etwas Einmaliges: um unser Schiff herum tanzten in mehreren Gruppen noch weitere Delfine! „Seht mal dort“, „Und hier!“ jeder zeigte aufgeregt in eine andere Richtung. Es waren 7-8 Grüppchen mit ca. 6-8 Tieren, die hoch aus dem Wasser sprangen. Ein wahres Delfinballett! Bis zum Sonnenuntergang dauerte die Vorstellung an, unglaublich!
Während der weiteren Fahrt gewöhnten wir uns an unsere geringen Etmale von unter 100sm. Auch das war also Teil unseres Entschleunigungsprogramms…
Für die Mädels war endlich der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich um ihre verwilderten langen Haare kümmern konnte. Auf unserer bisherigen Reise war wegen anstehender Manöver meist kein entsprechendes Zeitfenster. Es fanden Termine in unserem bordeigenen Frisiersalon statt und jede bekam ihre Wunschfrisur. Der Trend: ein Pony. Alle waren zufrieden mit dem Ergebnis, die Äquatortaufe und die damit verbundene Fotosession stand ja auch bald bevor. Damals dachten sie ja noch, dass die Taufe mit Seewasser stattfindet…
Während wir uns an den Äquator herantasteten, kamen die letzten Yellowfin Tuna Steaks zum Mittagessen in die Pfanne, wir hatten also wieder Platz für Nachschub im Gefrierfach. Die Angeln wurden wieder aktiviert. Eines Nachmittags meldete sich Constantins neue Angel aus Panamá City (zur Erinnerung: die alte war beim Fang des Yellowfins vor Bonaire durchgebrochen). Sogleich wurde ordentlich Leine abgespult, das musste was Dickes sein, denn die Angel bog sich stark! Als der Kampf dann beendet war, konnten wir noch nicht genau erkennen, was denn der dunkle Schatten war, den Constantin da heranzog.
Nach dieser großen Enttäuschung ließ der echte Fang nicht lange auf sich warten. Gleich um 7 Uhr am nächsten Morgen surrte die Angel los, als Köder hatte Constantin einen leckeren Ballihoo ausgelegt.
Sobald bei uns die Angel „schreit“, läuft bei uns eine eingespielte Choreografie ab und jedes Crewmitglied widmet sich seiner entsprechenden Aufgabe. Paula ist für das Bereithalten der Utensilien wie z.B. Handschuhe und Sprühflasche mit Alkohol zuständig. Franka holt möglichst zügig die 2. (inaktive) Angel ein und schnappt sich danach die Kamera, damit alles dokumentiert wird. Während Constantin und ich meist die Segelfläche reduzieren, um die Fahrt herauszunehmen, startet Louisa den Motor und steuert dann solange, bis der Fisch an Bord ist.
In der Zeit des Kampfes wächst dann bei allen im Team die Aufregung, insbesondere dann, wenn in der Entfernung der Fisch auftaucht und die Größe erahnen läßt, dass es nicht leicht wird, ihn an Bord zu kriegen. Louisa muss zusehen, dass der Fisch nicht seitlich am Boot vorbeizieht oder unter uns hindurchtaucht.
Als Constantin seinen Fang dicht genug herangeholt hatte, erkannten wir, dass es ein Wahoo war – unser erster Wahoo! Nun war Vorsicht geboten, denn mit seinen scharfen Zähnen kann er den Angler verletzen oder die Leine durchbeißen (wir haben deswegen ca. 100cm Stahlvorfach). Ich bekam letzte Instruktionen für das „Gaffen“, bisher hatte ich ja nur wenig Erfahrung mit diesem Gerät. Das erste Mal hatte ich es beim Yellowfin angewendet, wobei es mir immer noch ein Rätsel ist, wie ich den damals zu fassen bekommen hatte.
Meine Premiere war, dass ich diesesmal seitlich an Steuerbord „gaffen“ sollte. Zum Glück bekam ich den großen Wahoo gleich gut zu fassen, sodass Constantin ihn gut betäuben konnte. Gemeinsam hievten wir ihn an Bord. Dann legte sich die Aufregung und alle bestaunten ihn, unseren ersten Pazifikfang! Ein ca. 150cm langer, 22kg schwerer Wahoo, der uns gut 17 Fischmahlzeiten einbrachte.
Nach dem Familienfoto mit Fisch frühstückten wir erstmal, bevor sich das Schiff und die Galley in eine Fischfabrik verwandelte. Constantin begann sofort mit dem Zerlegen, damit ich die Steaks dann zeitnah in Portionen ins Gefrierfach schichten konnte. Danach waren wir dann noch eine Zeitlang mit der Wiedererlangung eines sauberen Cockpits beschäftigt. Irgendwie verteilte sich das Blut in jede Ecke, es musste ordentlich geschrubbt werden.
Einige Tage vor unserer Äquatorüberquerung begann ich, unsere organischen Küchenabfälle in einer Plastikbox zu sammeln. Niemand nahm so recht Notiz davon: sie füllte sich stetig, begann langsam zu „duften“ und am Boden sammelte sich eine Flüssigkeit.
Sonntag, 3. Mai 2015:
10:00: Alle Crewmitglieder ziehen sich ihre Badesachen an, um für das bevorstehende Ereignis der Äquatorüberquerung bereit zu sein. iPods und Kameras werden gezückt, es wird probefotografiert und -gefilmt.
10:17: Die Spannung steigt, die Sitzplätze vor den Navigeräten sind vergeben, alle behalten die Koordinaten im Auge.
10:25: In wenigen Minuten ist es soweit, ich bringe die Plastikbox mit Inhalt ins Cockpit, der „Taufeimer“ steht schon bereit.
10:30: Großer Jubel bricht aus, als die Koordinatenanzeige umspringt. Aus 00°00’000N 084°41’022W wird 00°00’000S.
Wir befinden uns jetzt „downunder“, das Kreuz des Südens war bereits seit Längerem unser nächtlicher Begleiter am Himmelszelt.
Vor einem Jahr waren Wörter wie Panamákanal und Pazifik und Galápagos noch nicht in unseren Sprachschatz eingedrungen, wenn wir von unserer geplanten Reiseroute erzählten. Etappe für Etappe hatten wir uns an unser neues Ziel herangetastet, in wenigen Tagen sollten wir Galápagos erreichen.
Jetzt sollte die traditionelle Äquatortaufe stattfinden! Die Kinder erahnten bereits, was es mit der Plastikbox auf sich hatte. Niemand wollte als erstes getauft werden, als der Deckel unseres Mini-Komposthaufens gehoben wurde und Constantin die „Suppe“ in den Eimer goß. Darunter befanden sich u.a. Gurken- und Zitronenschalen, Wassermelonenreste, uvm. Irgendjemand meinte gar, einen Wurm entdeckt zu haben. Igitt! Nach einer lebhaften Diskussion stand fest, dass wir uns in der „Geburtsreihe“ taufen liessen. Constantin als erster, dann ich, Franka, Louisa und Paula dann in Folge.
Für uns alle hiess es, einen letzten ungläubigen Blick auf die Taufsuppe zu werfen, vor dem inneren Auge ein besonders ekliges Szenario ablaufen zu lassen, wo das Zeug alles hängenbleibt, Mund und Nase möglichst fest geschlossen halten und die Luft anhalten. Dann kam auch schon die Mülldusche niedergeprasselt, und der Spuk war vorbei, aber der Geruch blieb noch ein paar Minuten. Die Mädels schafften sich einen Vorteil, indem sie sich ihre Taucherbrillen aufsetzen, so konnten sie auch genau zusehen, was denn da auf sie herunterrieselte. Die Melonenschalen taten schon ein bisschen weh.
Louisa liess dann freundlicherweise Paula den Vortritt und dachte, sie käme komplett ungeschoren davon. No way!
Noch nie wurde von unseren Kindern eine Dusche so herbeigesehnt wie nach dieser Mülldusche äääh pardon – ÄQUATORTAUFE!
Auf dieser Überfahrt wurden wir mit einigen Geschenken belohnt, am letzten Abend (5. Mai) vor unserer Ankunft wartete noch eine letzte Überraschung auf uns. Gegen 22:45 erreichten wir bei Vollmond und spiegelglatter See San Cristobál, die für uns erste Insel des Archipels, um diese mit 4,5 kn unter Gennaker nördlich zu passieren. Wir waren dabei, zu beraten, ob wir den Gennaker runternehmen sollten, da er ab und zu einfiel, und beobachteten ihn. Als ich gerade kurz runtergehen wollte, rief Constantin mich nach oben zurück, denn er hatte direkt hinter sich ein Schnaufen gehört. Ich leuchtete auf die Stelle, aber es war nichts zu sehen. Wir warteten ab und siehe da, nur 3-4m neben dem Schiff tauchte ein dunkler glänzender Körper an die Oberfläche, prustete eine Fontäne in die Luft und tauchte langsam wieder ab.
Leider liessen die Mädels sich zuerst nicht aus ihrem Tiefschlaf wecken, aber später bekamen dann auch sie wenn auch verschlafen etwas von diesem Schauspiel mit. Ein paar Minuten später tauchte hinter uns 1m vom Heck entfernt ein weiterer Körper an die Oberfläche.
Insgesamt begleiteten uns die folgenden 2 Stunden 3 ca. 3-4m lange Meeressäuger, die immer näher ans Boot herankamen. Sie schwammen seitlich am Rumpf entlang, tauchten unter unserer „hapa na sasa“ hindurch, liessen sich zurückfallen und kamen wieder dicht ans Heck heran. Wenn sie zum Luftholen an die Oberfläche kamen, schossen ihre Fontänen in die Luft, wir konnten im Cockpit das Salzwasser riechen und hatten den Sprühnebel auf der Haut und auf dem Cockpittisch. Noch nie hatten wir so dicht drei so große Tiere gesehen. Ehrlich gesagt, konnten wir nicht erkennen, ob es große Delfine oder kleine Wale waren. Vermutlich Delfine. Sie zeigten nur ihr Atemloch und tauchten wieder ab, Flossen verbargen sie… Wir sassen still und ehrfürchtig im Cockpit und versuchten zu erahnen, wo sie als nächstes hinter unserer „hapa na sasa“ auftauchen würden.
Das war er wieder, dieser Moment, in dem wir uns im Hier und Jetzt befanden, es einfach nur genossen, ein winziger Teil der großartigen Natur zu sein.
Eine Antwort zu “Überfahrt von Panamá nach Galápagos mit Äquatortaufe”
Die Ponys sehen richtig toll aus!!!
PS: Mein Vater hat richtig über den Fisch gestaunt, den ihr gefangen habt.