Wir verlassen Cocos Keeling mit seinem kristallklaren Wasser, dieser fantastischen Unterwasserwelt und den traumhaft weißen Stränden nur ungern. Länger bleiben können wir nicht, denn die Zyklonsaison beginnt in Kürze und dann sollten wir den indischen Ozean verlassen, Südafrika erreicht haben.
Bis Mauritius sind es gut 2.300 Seemeilen
Bis Mauritius sind es gut 2.300 Seemeilen, nicht gerade wenig, aber in 16 Tagen sollten wir das locker schaffen. Der Wind weht mit konstant 20kn aus Südost, es sollte also eine schnelle Passage werden. Die Wellen sollen aus Südost, später Südsüdost kommen. Südsüdost ist nicht gut, sie werden uns dann unangenehm von der Seite treffen. Die ersten Tage versuchen wir somit möglichst viel Süd zu machen, um später einen westlicheren Kurs fahren zu können.
Wie immer sind die ersten Tage besonders anstrengend aber unproblematisch. Wir fangen insgesamt 3 Mahi Mahis. Nach ein paar Tagen geht die Welle über 3m, bis an die 4m, das war so nicht angesagt. Die Wellenhöhe ist nicht kritisch für uns, nur die stärkeren Bootsbewegungen sind noch einmal anstrengender für den Körper.
Eine Auswahl fliegender Fische, die wir morgentlich an Deck finden.
Nach gut 1.000 Seemeilen fällt unser Autopilot aus
Am 7. Tag fällt unser Autopilot aus, gut 1.000 Seemeilen entfernt von Cocos Keeling, 1.300 Seemeilen von Mauritius. Das Display gibt uns die Meldung DRIVE STOPED, diese Meldung hatten wir bisher noch nicht.
Ich schreibe sofort eine Mail an meinen Spezialisten und inzwischen guten Freund bei Raymarine. Eine weitere Mail schreibe ich an den Hersteller der Hydraulikeinheit unseres Autopilotes in Frankreich, den ich bereits im September letzten Jahres wegen möglicher, durchzuführender Wartungen angeschrieben hatte. Französisch sprechen ist eine Sache, aber schreiben eine andere. Warum machen die Jungs das nur so kompliziert mit den Accents und den ganzen e’s. Egal, um wirklich von einem kompetenten Techniker eine Aussage zu bekommen, schreibe ich auf Französisch. Die Mails gehen über Satellit, Bilder können wir nicht schicken und empfangen, zu groß, aber Textnachrichten funktionieren gut.
In Europa ist es morgens, immerhin, aber trotzdem bleibt jetzt erst einmal nichts weiter als auf Antwort zu warten und per Hand zu steuern. Zu 99% benutzen wir unseren Autopilot, die längste Zeit die wir bisher auf unserer Reise per Hand gesteuert haben, war die Nacht auf dem Weg nach Cocos Keeling und das war schon nicht schön.
Sowohl mein Freund bei Raymarine, als auch der Kontakt bei LS, dem Hersteller der Hydraulikeinheit, reagieren umgehend. Die Elektronik können wir bei diesem Problem wohl ausschließen, es sieht nach einem hydraulischen oder mechanischem Problem aus. Bei uns ist es aber inzwischen dunkel, so dass ich die Arbeiten auf den nächsten Morgen verschiebe.
Operation an der Hydraulikpumpe bei 3m Welle.
Will ich wirklich versuchen bei 3m Welle und gelegentlichen weiß ins Cockpit spritzenden Seen unseren Autopiloten zu reparieren, eigentlich nicht. Weitere 5 Tage per Hand steuern sind aber so abschreckend, dass ich mich mit allerhand Werkzeug in die Backskiste bewege.
Über mir schließt sich der Deckel, so dass wir kein Salzwasser in unsere hintere Backskiste mit dem Wassermacher, diversem Equipment und eben dem Autopiloten bekommen. Urte steuert bravourös und Louisa ist auf Standby, um mir fehlendes Werkzeug zu reichen. Die Anleitung von LS ist kurz und präzise, sehr kurz, so als wenn ich das schon x-mal gemacht hätte. Es hilft nichts. Die großen Maulschlüssel, die ich damals in Stuttgart bei unserer Hausrenovierung für die Heizung gekauft hatte, kommen jetzt zum Einsatz. Ich schraube Hydraulikleitungen auseinander, fange möglichst viel des Hydrauliköls auf. Ich weiß nicht wie viel verschiedene Öle ich an Bord habe, aber Hydrauliköl ist nicht dabei, hatte man mir im September letzten Jahres doch bei LS versichert, dass man das Öl nicht wechseln muss.
Mein Fehler, mein Problem, 3m Welle, ich versuche jeden Tropfen aufzufangen. Jeden, der nicht auf mir oder irgendwo im Heck des Schiffes landet. Draußen weht es mit 20kn, hier drinnen ist es stickig und warm, dass Schweiß rinnt. Ich erinnere mich an das Winterlager in Stavoren Holland, wo wir Karl getroffen haben. Karl von den Bermudas baute seit 11 Jahren einen 60 Fuß Aluminiumrumpf vom feinsten aus. Bei Ihm ist der Motorraum klimatisiert, falls er in den Tropen mal am Motor arbeiten muss, jetzt verstehe ich was er damals meinte.
Die Hydraulikpumpe ist nicht für die Demontage gebaut.
Die Hydraulikpumpe ist nicht für die Demontage gebaut. Die Schraubverbindungen sind so heftig angezogen, dass ich sie trotz des guten Hebels des 22er Maulschlüssels nicht geöffnet bekomme. Ich Schraube die Hydraulikpumpe wieder fest, stütze mich in unsäglicher Position ab einerseits, um von den Wellen nicht durch die Backskiste geschleudert zu werden und andererseits um meine volle Kraft auch wirklich auf den 22er Schlüssel zu bringen. Es ruckt, mein Finger ist in der falschen Position und wird gequetscht. Immerhin das eine Ventil der Pumpe ist gelöst und kurz drauf halte ich auch das zweite in den Händen. Was ich da jedoch sehe, gefällt mir gar nicht.
Unser Autopilot besteht aus einem Hydraulikzylinder und der Hydraulikpumpe. Je nach Steuerrichtung dreht die Hydraulikpumpe in die eine oder andere Richtung, somit ist das System frei von aufwändiger Steuerung oder Ventiltechnik. Die Einfachstventile an der Pumpe bestehen aus kleinen Metallkugeln, die mit Federn in ihren Sitz gepresst werden.
Und genau an der Stelle sehe ich unser Problem. Eine der Kugeln ist durch ein Stück Metall blockiert. Bei genauerem Hinsehen handelt es sich um ein 4mm langes Bruchstück eines Seegerringes. Das Problem ist somit identifiziert, aber wo fehlt dieses Stück Seegerring? Und, schwimmen noch weitere Bruchteile in unserer Hydraulik? Ich tausche mich weiter per Mail mit LS aus. Ich versuche die Pumpe weiter auseinander zu bauen, komme aber an meine Grenzen. Die nächsten Schraubverbindungen sind so angeknallt, dass ich sie beim besten Willen nicht lösen kann. Letztendlich bleibt mir nichts anderes übrig, als alles wieder zusammen zu bauen und zu hoffen, dass der Autopilot nach dem Zusammenbau wieder funktioniert und dass er bis zu unserem nächsten Landfall hält.
Leider funktioniert der Autopilot nach dem Zusammenbau nicht. Ich bekomme die Hydraulik bei diesen Seen nicht entlüftet und eine Hydraulik mit Luft im System funktioniert eben nicht.
Wir sind 800sm von Rodriguez, dem nächstmöglichen Stop entfernt. 800sm, das sind 5 Tage.
In dieser Verschraubung hält sich das Übel verborgen.
Per Hand steuern macht den Kopf gewaltig klar
Nachts per Hand steuern ist anspruchsvoll. Der Wind kommt von der Seite, die Welle von schräg hinten, will uns immer wieder vom Kurs abbringen. Die erste Nacht ist sternenklar, was die Sache deutlich vereinfacht.
Die zweite Nacht ist bedeckt, keine Sterne zu sehen, stockfinster. Die einzige Orientierung bieten die Instrumente und der Kompass, bei der Welle ist dies aber eine schwache Hilfe, zu stark ist die Schiffsbewegung. Mehr als zweieinhalb, maximal drei Stunden am Stück steuern ist nachts nicht drin. Wir ändern umgehend unseren Wachrythmus, was bedeutet, dass nachts nicht viel mehr als zweieinhalb Stunden Schlaf am Stück drin sind, Spaß sieht anders aus.
Der Fokus liegt auf den Wellen, der Schiffsbewegung, den Sternen und den Instrumenten. Der Ansatz eine kurze Mitteilung mit dem Telefon per Satellit zu schreiben wird sofort mit heftiger Kursabweichung bestraft, mit Autofahren hat das hier nichts zu tun. Beeindruckend ist jedoch wie klar der Kopf wird, mir kommen einige gute Gedanken. Ein schönes Gefühl, wenn auch hart erkauft.
Urte steuert bravourös, ob mitten in der Nacht oder tagsüber.
Paula am Steuer oder muss man besser sagen hinterm Steuer?
Wir fliegen unseren Wingaker oder Genaker, wann immer es geht.
Wenn wir uns hängen lassen, zu langsam werden, werden wir kurz vor unserer Ankunft hohe Wellen ohne Wind haben. Im Südindischen Ozean bläst ein kräftiges Hochdruckgebiet und schiebt enorme 3m+ Wellen zu uns. Hier lokal wird der Wind aber einschlafen, keine gute Kombination.
Wir entschließen uns, wann immer es geht den Wingaker oder Genaker zu fliegen. Wir lieben diese Segel, haben sie aber bisher immer nur unter Autopilot benutzt. Tagsüber ist das Steuern unproblematisch, nachts nehmen wir das Segeln je nach Windstärke dann doch runter.
Halloween, im vorigen Jahr in Tonga, jetzt hier mitten im Indischen Ozean.
Wir nähern uns Rodriguez
Rodriguez liegt eigentlich nicht auf unserem Plan. Planänderung, in der Hoffnung, dass ich dort vor Anker den Autopilot wieder zum Laufen bringe. Je näher wir nach Rodriguez kommen, desto schöner werden die Bedingungen. Die Wellen werden niedriger, eigentlich ist es nur noch ein langer Schwell. Louisa kann jetzt auch immer mal zwischendurch für eine knappe halbe Stunde steuern, selbst Paula steuert zwischendurch für kurze Zeit.
Wir lassen nachts sogar den Wingaker stehen, ohne unangenehme Überraschung. „Eigentlich sind es traumhafte Bedingungen, würde unser Autopilot laufen“, geht mir durch den Kopf. Nein, es sind traumhafte Bedingungen, nur halt etwas anstrengender als sonst mit Autopilot.
Nach 6 Tagen erreichen wir glücklich Rodriguez, der Anker fällt und wir freuen uns auf eine gute Mütze Schlaf.
Laaaand in Sicht, Rodriguez taucht am Horizont auf, es ist fast geschafft.