Leben an Bord der hapa na sasa, jeden Tag Cocktailschirmchen?

Leben an Bord der hapa na sasa, jeden Tag Cocktailschirmchen?

„Cruising is boat maintenance in the most beautiful places of the world“ oder „Fahrtensegeln ist Bootreparieren oder Instandhalten an den schönsten Orten dieser Erde“, so hat es uns ein guter Freund in Trinidad Anfang des Jahres gesagt. Aber ist das wirklich so, oder haben wir hier doch jeden Tag das Cocktailschirmchen im Longdrinkglas und sonnen uns auf dem Vorschiff?

Mal kurz vorweg, ich liebe dieses Leben und möchte aktuell mit Keinem tauschen.

Internet mal nicht aus dem WLAN zu Hause

Stellt Euch einfach mal vor, Ihr wollt zu Hause ins Internet. Nein, ooohne WLAN oder Netz aus der Steckdose! Ihr müsst euch erst einmal mit dem lokalen Hotspot verbinden und mit Eurer Kreditkarte Guthaben kaufen, natürlich vorausgesetzt, dass der lokale Hotspotanbieter überhaupt einen Hotspot in der Nähe hat und dieser auch eine Seite auf Eurem Laptop aufbaut. Falls es keinen erreichbaren Hotspot gibt, könnt Ihr immer noch mit dem Fahrrad in Richtung des nächsten Internetcafés fahren und die letzten 500-1000m zu Fuss gehen, falls Ihr herausgefunden habt, wo es überhaupt ist. Warum nicht mit dem Auto? Na, wir können auch nicht direkt mit unserem Schiff vor das nächste Internetcafé fahren. Unser Schiff liegt vor Anker, wir steigen ins Beiboot, fahren an Land (Strand oder Dinghydock) und machen uns dann zu Fuss auf die Suche.
Aber nun zurück zum Hotspot: leider habt Ihr genau heute kein Glück, Ihr erwartet eine wichtige eMail, aber vielleicht klappt’s besser morgen früh? Vielleicht. 5 Uhr morgens: Glück gehabt, eine Stunde Internet für 4,19 Euro erstanden. Natürlich – kauft Ihr gleich 100 Stunden wird es billiger, aber wird dieser Hotspot überhaupt zuverlässig funktionieren? Mails abrufen: einwählen, abrufen und schnell die Leitung wieder beenden, sonst sind die Minuten gleich futsch. Was für ein Glücksgefühl! Ihr seid wieder Online gewesen und hattet Kontakt zur Aussenwelt. Klar, dass da nicht nur die coolen eMails dabei sind, sondern auch Mahnungen mit Androhung rechtlicher Gewalt, weil der Nachsendeantrag die ursprünglichen Rechnungen verschluckt hat, aber die Mails kommen.
Aktuell läuft es genau so bei uns, deshalb sind Blogartikel eben auch etwas beschwerlich und aktuell leider seltener als ich mir das selber wünsche.

Geld gibt es aus dem Automaten

Geld abholen, weltweit aus dem Automaten, so wie in der Hochglanzwebpräsenz. Ihr ahnt schon, es geht wieder nicht mit dem Auto zum Geldautomaten, sondern mit dem Fahrrad und dann die letzten 500m zu Fuss. Kann auch mal sein, dass es gar keinen Automaten geschweige denn eine Bank mehr gibt.
Gehen wir mal davon aus, dass es einen Automaten gibt. Fröhlich die Karte in den Automaten stecken, Geheimzahl eingeben, Betrag eingeben und warten. Ups: Leider können wir Ihren Auftrag nicht bearbeiten. Noch einmal, Karte einstecken, Geheimzahl eingeben, geringeren Betrag eingeben, wieder das gleiche Ergebnis. Noch einmal, noch ein geringeren Betrag eingeben, nichts. Andere Karte nehmen, funktioniert auch nicht. Warum funktioniert’s denn nicht? Vor 2 Tagen habt Ihr doch genau an diesem Automaten mit Eurer Karte noch Geld bekommen!? Ok, ein anderer Automat am besten einer anderen Bank muss her. Wo ist hier ein weiterer Automat, fragen, nee, keine Ahnung. Den nächsten fragen, rechts, links, dann gerade aus, 10 min zu Fuss, cool. Andere Bank, Karte einstecken, Geheimzahl, Betrag eingeben, nix.
Zurück zum Fahrrad laufen, nach Hause fahren Hotspot anwählen, geht nicht, ok, das wird heute nichts mehr. Ihr ahnt es 5 Uhr aufstehen, ins Internet einwählen, Konto checken, genug Geld ist da, die Kreditkarte ist auch nicht überzogen, sollte eigentlich funktionieren. (In Panama haben wir eine Kreditkarte sperren müssen, weil in D jemand für 4.000 Euro für uns bei Zalando eingekauft hatte.)
Also wieder aufs Fahrrad, zum Geldautomaten laufen, nichts. Telefonkarte kaufen und die Hotline der Bank anrufen und beten, dass die Warteschleife nicht das ganze Guthaben der Telefonkarte frisst und dass am anderen Ende ein Mitarbeiter sitzt, der helfen kann und will. Glück gehabt, wegen der Zeitverschiebung ist es in Deutschland schon abends und die Warteschleife frisst nur 4 Minuten. Ihr schickt gleich mal voraus: „Ich bin am anderen Ende der Welt und rufe mit einer Telefonkarte aus der Telefonzelle an, es muss also leider ziemlich schnell gehen.“ Bank: „Können Sie kurz warten?“ Ihr: „Was heisst kurz?“ Bank: „Eine Minute“. Nach gefühlten 10 Minuten, realen 3 Minuten, meldet sich die Bank: „Ihre Karte meldet einen Fehler, gehen sie zu dem Automaten, wo sie vor 2 Tagen Geld gezogen haben.“ Ihr: „ Das habe ich schon getan, funktionierte aber nicht.“ Hin und her … der Mitarbeiter ist wirklich sehr, sehr bemüht, irgendwann wird die Leitung unterbrochen.
Und was jetzt? Wie bekommt Ihr jetzt Geld? Oder geht es zurück in die Welt des Tauschhandels? Am nächsten Tag seid Ihr wieder in der Kleinstadt. Ihr hattet Euch schon damit abgefunden, für die nächsten Wochen nur die vorhandenen Vorräte zu vertilgen, d. h. natürlich auch wieder jeden Tag selber Brot backen, ohne Backmischung, Brotbackautomaten oder Umluft-Elektroofen mit allem Schnickschnack, sondern im Gasofen mit eingebauter Zufallsabschaltung und maximal 180°C Unterhitze.
Hier ist ja noch eine Bank, deren Automaten ihr noch nicht probiert hattet, vielleicht klappt es ja hier? Karte einstecken, mit viel Gefühl, Geheimzahl eingeben, Betrag eingeben und nach bangen Sekunden das ersehnte klickern, der Automat zählt Euer Geld und dann geht die Klappe auf. Endlich Geld, doch nicht zurück zum Tauschhandel, doch nicht jeden Tag Brot backen für die nächsten Wochen, welch ein Glück!
Genau so ist es mir in Pape’ete/Tahiti passiert – und ich sage euch, kein Geld aus dem Automaten zu bekommen, ist wirklich ein ganz, ganz schlechtes Gefühl des Ausgeliefertseins, bisher das Übelste, was mir in den letzten 12 Monaten passiert ist!

Lebensmittel einkaufen

Die Vorräte gehen zur Neige und die nächsten Monate sind die Geschäfte geschlossen bzw. nur der Kiosk am Bahnhof hat geöffnet, aber dort kostet alles das Vierfache. (In der Südsee gibt es in weiten Bereichen nur kleinste Läden. Durch die langen Transportwege, zudem fährt das Versorgungsschiff die Insel nur alle 3 Wochen an, sind die Lebensmittel viermal so teuer wie zu Hause. Auch wenn die Hühner en masse auf der Strasse herumlaufen, wird Hühnerfleisch aus Neuseeland oder Australien importiert.)
Von einem Bekannten die Grossmarktmitgliedskarte leihen und rauf aufs Fahrrad (bei uns unser Beiboot), diesesmal bis zum Taxistand und mit dem nächsten Taxi zum Grossmarkt fahren, 2 bis 3 Einkaufswagen vollladen, bezahlen und ein neues Taxi suchen. Ups, draussen schüttet es wie aus Eimern und Ihr seid nicht die einzigen, die in dieser Minute ein Taxi sucht. Einige Taxifahrer erkennen gleich Eure aussichtslose Situation und setzen ihren Fahrpreis um das Dreifache hoch, nee, dass muss anders gehen, tut es auch – nach einer Stunde. Alles rein ins Taxi, zurück zum Fahrrad und alles mit dem Fahrrad nach Hause fahren.
Weil Ihr aber von Euren Freunden gehört habt, dass die Pappverpackungen optimale Brutstätten für Kakerlaken sind, entfernt ihr jede Pappverpackung und alles Papier, auch von den Dosen, die Ihr gekauft habt. Um sicher zu gehen, wascht Ihr jedes Teil noch mit Chlorlösung ab, denn eine Kakerlakenplage auf engstem Raum braucht wirklich keiner! Oh – und nicht vergessen, bitte noch die jetzt blanken Dosen beschriften, um später noch zu wissen, was drin ist.
2015 04 25
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Toilette defekt, das letzte T-Shirt im Schrank, und das Benzin ist auch alle.

Ich glaube, es ist ungefähr klar, wie das Seglerleben ausserhalb der Cocktailschirmchen im Longdrinkglas funktioniert.
Wenn Teile am Boot defekt sind, gibt es hier vor Ort wenig bis fast nichts, um die Teile zu ersetzen. Entweder man hat grosses Glück und das kaputte Teil ist gerade vor
Ort vorrätig, oder die Reparatur muss noch 4 Monate warten, oder das Teil wird eingeflogen und man wartet dort, wo man gerade ist und wo das Wasser hoffentlich gerade türkis ist.
Auch die Wäsche wird in den praktischen blauen Ikeataschen mit dem Beiboot an Land gefahren, dort zu Fuss in den nächsten Waschsalon gebracht. Wenn es gut läuft, ist die Wäsche nach dem Waschen sauberer als vorher und hat keine Löcher. Beim letzten Waschen in Pape’ete hat eine 7kg-Maschine 15 Euro gekostet, getrocknet 20 Euro. Und wenn wir Benzin für unser Beiboot oder Gas für unseren Herd benötigen, werden die leeren Gasflaschen und Benzinkanister ins Beiboot geladen, an Land ausgeladen und zu Fuss zur nächsten Tankstelle (ca. 1000m) gebracht. Benzin gibt es gleich, Gas dauert meist ein paar Tage.

Also, wenn Ihr Euch zu Hause darüber ärgert, dass ein Download von einem HD Film zu lange
dauert, Ihr eine Schlange vor dem Geldautomaten habt, Euch jemand den Parkplatz gleich vorne am Supermarkt wegschnappt, Ihr Euch ärgert, dass Ihr spät abends noch Wäsche waschen müsst oder der Benzinpreis wieder um 10 Cent gestiegen ist, so denkt einfach an uns und das Cocktailschirmchen.

3 Antworten zu “Leben an Bord der hapa na sasa, jeden Tag Cocktailschirmchen?”

  1. Hallo Constantin,
    eine leise Ahnung hatte ich schon, wie sich ein „entspannter“ Landgang gestaltet. Die Realität scheint ja um einiges unsere Vorstellungen zu übertreffen. Ich vermute aber, dass die fantastischen Ausflüge euch für die vielen Unannehmlichkeiten entschädigen.
    Ich freue mich, dass ich euren Kurs wieder verfolgen kann und nicht im Ungefähren herum irre.
    Weiterhin gute Fahrt und viele Grüße an dich und die ganze Crew!
    Brigitte

  2. Ihr Lieben, alle miteinander !!!!
    Wenn wir hier an Inseln im Pazifik denken, haben wir bestimmte Vorstellungen. Das tägliche Leben scheint doch sehr mühsam zu sein, wie du es sehr ausführlich und anschaulich beschreibst. Oh – oh ! –
    Sehr schön, dass die „aktuelle Position“ in eurem Blog wieder funktioniert, dadurch ist das Interesse allgemein gestiegen. – Ihr seid nach meiner Info (am 18.08. haben wir das letzte Mal telefoniert) nun schon wieder seid 3 Wochen unterwegs, ohne Lebenszeichen, ohne Internet, allerdings über Sat. Tel. zur Not erreichbar. Wie man sieht, kommt ihr gut voran.- Wann ihr diesen Kommentar lesen könnt, ahne ich nicht. Die Insel Tonga ist noch ein „Stück“ von eurer jetzigen Position entfernt. Jedenfalls grüßen Franka und ich euch ganz herzlich, wir denken an euch und fühlt euch alle fest umärmelt von eurer Stephie / Großmama